Der Mangel an Mikroprozessoren ist seit dem Jahr 2020 ein globales Problem. Es wird davon ausgegangen, dass die weltweite Produktion den Bedarf auf Jahre hinweg nicht ausreichend bedienen wird. Der Grund hierfür ist eine Verkettung von Ereignissen, die alle dazu beitragen, dass ganze Industrien auf nicht absehbare Zeit hierdurch stark beeinträchtigt sein werden.
Die offensichtlichen Gründe für die Chipkrise
1. Die Corona Pandemie
Die weltweite Chipkrise ist auf eine Kombination verschiedener Ereignisse zurückzuführen, wobei der Schneeballeffekt durch die Corona-Pandemie angestoßen wurde.
Die Pandemie führte zu einem starken Anstieg bei der Telearbeit (Home Office) und dem Fernunterricht. Hierdurch kam es innerhalb von wenigen Wochen zu einer hohen Nachfrage nach Computern. Auch andere Peripherie-Geräte, die für das Arbeiten und Lernen von zu Hause benötigt werden, verzeichneten eine hohe Nachfrage.
In anderen Bereichen wurden Umsatzeinbrüche erwartet. So änderten insbesondere Unternehmen der Automobilindustrie ihre prognostizierten Absatzzahlen. Dies führte dazu, dass die Bestellungen für Halbleiter nach unten korrigiert wurden. Diese Handlung sollte in den nächsten Monaten dazu führen, dass andere Kunden, die ihre Bestellungen aufrecht gehalten hatten, bevorzugt beliefert wurden. In der Konsequenz haben die Autobauer bis heute Probleme, die dringend benötigten Chips für die Herstellung ihrer Fahrzeuge in ausreichender Menge zu beschaffen. Je nach Bauart benötigen moderne Autos im Mittel mindestens rund 1.500 Chips.
Etliche Lockdowns aufgrund regionaler Corona-Ausbrüche legten immer wieder einzelne Fabriken, vor allem in Asien, lahm. Es ist zu befürchten, dass die Pandemie in naher Zukunft auch weiterhin die Chip-Produktion beeinträchtigen wird.
2. Regionale Zentrierung der Halbleiterfabriken und die Produktionskapazitäten werden dem Markt nicht gerecht
Ein weiterer Faktor ist, dass die Nachfrage so groß ist, dass die bestehenden Produktionskapazitäten nicht mithalten können. Dies hat neben dem kurzzeitig erhöhten Bedarf an Computern während der Anfangsphase der Pandemie auch mit einem erhöhten Bedarf in anderen Bereichen zu tun.
In einem Zeitalter, in dem immer mehr Gegenstände „smart“ werden und Computerchips benötigen, um ihre grundlegenden Funktionen ausführen zu können, werden somit auch immer mehr Halbleiter benötigt. Zudem werden beispielsweise im Bereich des Minings von Kryptowährungen enorme Ressourcen an Computer- und Grafikleistung benötigt. Dies führte unter anderem dazu, dass die Preise und die Lieferzeiten für Grafikkarten explodierten. Eine nachhaltige Entspannung der Situation ist nicht in Sicht.
Fab 5 Gebäude von TSMC, Hsinchu Science Park, Taiwan
via Wikipedia
Die zunehmende Abhängigkeit von den großen Chip-Herstellern ist ein hausgemachtes Problem. Der Marktanteil, den Taiwan insbesondere auch wegen des weltweit größten Auftragsfertiger von Halbleiterprodukten TSMC, innehat, beläuft sich auf ca. 63%. Somit gibt es eine große globale Abhängigkeit von einem kleinen Inselstaat, welcher zudem in seiner Existenz hinterfragt, als auch bedroht wird. Im Jahr 2021 erlebte Taiwan die schlimmste Dürre seit mehr als einem halben Jahrhundert, was zu Problemen bei den Chip-Herstellern führte, die große Mengen an Wasser für ihrer Fabriken benötigen. Dieser Umstand heizte den Chipmangel weiter an.
3. Der Ukrainekrieg
Ein weiterer Dämpfer für eine Besserung der Lage, war der Ausbruch des Ukrainekriegs im Februar 2022. Materialien wie Neon, Xenon, Palladium sowie Edelgas, die für die Chip-Produktion gebraucht werden, kommen in großen Mengen aus der Ukraine, aber auch aus Russland.
Die Ukraine kann kriegsbedingt die Materialien nicht in ausreichender Anzahl liefern. Russland auf der anderen Seite wird durch umfangreiche Sanktionen an der Lieferung gehindert oder verzichtet von sich aus auf den Export von beispielsweise Edelgas. Wie in vielen Bereichen der Rohstoffbeschaffungen suchen die Halbleiterhersteller nun händeringend nach alternativen Lieferanten, um die Chip-Produktion erhöhen zu können.
Warum gibt es nicht mehr Kapazitäten zur Herstellung von Halbleitern?
Wenn das Halbleitergeschäft so lukrativ ist und eine so hohe geopolitische Bedeutung hat, warum gibt es dann, insbesondere in den westlichen Ländern, nicht mehr Produktionsstandorte? Dies hat mehrere Gründe und liegt hauptsächlich an der Komplexität der Wertschöpfungskette. Die Stiftung Neue Verantwortung nennt in ihrem Paper „Understanding the global chip shortages“ sechs Charakteristika der Halbleiterindustrie:
- Eine hochgradige Arbeitsteilung
- Eine hohe Kapitalintensität
- Eine hohe Wissensintensität
- Lange Zykluszeiten bei der Herstellung
- Die notwendige transnationale Zusammenarbeit aufgrund der Rohstoffe, die innerhalb der Wertschöpfungskette benötigt werden
- Der durch die transnationale Zusammenarbeit entstehende starke Lock-In-Effekt
Silizium Wafer – Jedes Quadrat ist ein Chip mit mikroskopisch kleinen Transistoren und Schaltkreisen.
Die genannten Charakteristika führen zu extrem hohen Markteintrittsbarrieren und verdeutlichen den Komplexitätsgrad dieser Industrie.
Ausblick und Fazit
Viele gehen davon aus, dass der Produktionsmangel bei den Halbleitern noch mindestens bis weit in das Jahr 2023 andauern wird. Andere befürchten sogar weitaus längere Lieferengpässe aufgrund der genannten Probleme und Herausforderungen.
Führende Halbleiterhersteller planen, ihre Produktionsstätten zu diversifizieren und globaler auszurichten. Intel plant beispielsweise ein großes Halbleiterwerk in Magdeburg. Wie in vielen Bereichen bedeutet dies jedoch, dass die Produktionskosten unweigerlich steigen werden, da nicht mehr ausschließlich dort produziert werden kann, wo die Kosten am niedrigsten sind. Die Europäische Union hat in ihrem „European Chips Act“ angekündigt, über 43 Milliarden Euro für die Entwicklung und Herstellung von Halbleitern durch private und öffentliche Gelder mobilisieren zu wollen.
Es ist definitiv der richtige Weg für Europa, seine Abhängigkeiten abzubauen. Diese Notwendigkeit gilt für viele kritische Bereiche (IT, Militär, Rohstoffe, Halbleiter-Produktion etc.). Wir in Europa sollten für eine selbstbestimmte Zukunft weiter mit Nachdruck daran arbeiten, Abhängigkeiten zu minimieren.
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Pyngu Digital