Duopol – Eine Marktform, bei der einer Vielzahl an Nachfragern nur zwei Anbieter gegenüberstehen.
Seit Jahren gibt es nur zwei Betriebssysteme für Smartphones, die auch nur ansatzweise einen relevanten Marktanteil verzeichnen können. Frühere Konkurrenten sind gescheitert und neue Herausforderer meilenweit nicht in Sicht. Dabei sind wir uns alle einig: Konkurrenz belebt das Geschäft und die Verbraucher würden am meisten davon profitieren.
Wie sieht die aktuelle Lage auf dem Smartphone-Markt aus?
Der Smartphone-Markt teilt sich, was die Betriebssysteme angeht, in zwei große Lager auf. Klarer Marktführer ist global gesehen Android mit, laut dieser Statista Erhebung, rund 84% Marktanteil. Hierzu dürften auch die Android-Custom-ROM’s zählen, die nicht von Google direkt angeboten werden (siehe Android Derivate). Dahinter kommt mit ca. 16% iOS von Apple.
Man könnte beinahe auch meinen, dass es sich schon fast um ein Monopol durch Android handelt. Apple hat aber insbesondere in Industrieländern große Marktanteile. Außerdem erscheinen viele Apps zuerst im Apple App Store und dieser macht zudem deutlich mehr Umsatz als der Play Store von Google.
Nischen Betriebssysteme für das Smartphone kommen in den meisten Statistiken nicht vor. Die Prognose sieht auch in naher Zukunft keine Möglichkeit, dass sich ein neues Betriebssystem in den nächsten Jahren auf dem Markt etablieren könnte.
Im Jahr 2020 sollen 3,5 Milliarden Menschen bereits Besitzer eines Smartphones gewesen sein. Tendenz stetig steigend. Wenn man sich nun diesen Markt ansieht, kann man sich vorstellen, über welche wirtschaftliche Power und welchen Einfluss Apple und Google global gesehen verfügen.
It’s all about Apps
Der Hauptgrund, warum sich neue Herausforderer auf dem Smartphone Markt der Betriebssysteme so schwertun ist vermutlich das Fehlen von Apps. Der Apple App Store und der Google Play Store haben über Jahre eine App Infrastruktur aufgebaut, die ein neuer Player ohne weiteres nicht aufholen werden wird. Was die Vielzahl der Apps angeht, sind die Anbieter abhängig von den externen Entwicklern dieser. Für viele Entwickler ist ein neues, aufstrebendes Betriebssystem aber nicht lukrativ, da die User-Base schlicht zu klein ist.
Und die Nutzer?
Wer nicht gewillt ist auf viele teilweise essenzielle Funktionalitäten und Applikationen zu verzichten, muss sich zwischen den Betriebssystemen von Apple und Google entscheiden.
Android ist zwar im Kern Open Source, um aber den vollen Umfang der Apps im Google Play Store nutzen zu können, müssen die User einen Google Account mit all seinen datenschutzrechtlichen Nachteilen anlegen. Es gibt zwar auch Möglichkeiten Android Apps als APK oder über den alternativen Google Play Store „Aurora Store“zu laden, dies kann aber zu Einbußen in der Usability führen und geht mit Risiken bei der Datensicherheit einher.
Es gibt Alternativen. Jedoch ist die Nutzung für Normalverbraucher derzeit nur bedingt tauglich
Im Folgenden werden eine Reihe an alternativen Betriebssysteme vorgestellt, die auf Smartphones installiert werden können. Auf die genauen Spezifikationen und Vor- und Nachteile wird jedoch nicht eingegangen. Ebenso gilt die Aufzählung nicht als vollständig. Vorab wollen wir die Betriebssysteme in drei Unterkategorien untergliedern:
- Android Derivate
- „Die Verstoßenen“ aka Huawei
- Linux auf dem Smartphone
Android Derivate
Wie beschrieben gibt es aus der Android Welt eine Reihe an Ablegern des quelloffenen Android Open Source Project (AOSP). Letztlich proklamieren alle Derivate für sich, dass sie eine datenschutzfreundliche Alternative anbieten wollen, die auf Google Dienste verzichtet. Es folgt eine Auswahl an Custom-ROM’s, die ohne Google Dienste genutzt werden können:
Lineage OS
Datenschutzorientiert. Nachfolger des Android Derivats „CyanogenMod“. Relativ große Auswahl an kompatiblen Geräten, wobei allerdings nur relativ wenige aktuelle Modelle unterstützt werden.
CalyxOS
Datenschutz- und sicherheitsorientiert. Bis auf ein Xiaomi Gerät, derzeit nur mit Google Pixel Smartphones kompatibel.
Graphene OS
Datenschutz- und sicherheitsorientiert. Derzeit nur mit Google Pixel Smartphones kompatibel.
/e/ OS
Datenschutzorientiert. Kann bereits vorinstalliert auf ausgewählten Geräten bezogen werden. Derzeit insbesondere für die Modelle Samsung Galaxy S7-S9 sowie für das Fairphone 3(+) erhältlich.
Volla OS
Datenschutzorientiert. Kann vorinstalliert mit dem Volla Phone gekauft werden. Das Volla Phone basiert technisch auf den Smartphones des deutschen Herstellers Gigaset.
CopperheadOS
Datenschutz- und sicherheitsorientiert. Derzeit nur mit Google Pixel Smartphones kompatibel. Richtet sich in erster Linie an Unternehmen und Organisationen.
Das vermutlich größte Problem der Derivate ist, dass die Hardwareauswahl stark limitiert ist. Jedes Derivat muss für das entsprechende Endgerät angepasst werden. Zudem gibt es nur eine kleine Auswahl an Anbietern, die vorinstallierte und konfigurierte Custom-ROM Smartphones verkaufen.
Breaking News:
Einen Tag vor der Finalisierung dieses Artikels hat das deutsche Unternehmen für Sicherheitshardware Nitrokey angekündigt, ein Google Pixel 4a mit vorinstalliertem Graphene OS vertreiben zu wollen.
Es wäre insgesamt schön, wenn mehr Anbieter Hardware mit vorinstallierten alternativen Betriebssystemen anbieten würden. Man kann davon ausgehen, dass umso mehr Geräte mit alternativen Betriebssystemen angeboten werden, desto größer ist das Potenzial eines wachsenden Marktanteils dieser.
„Die Verstoßenen“ aka Huawei
Huawei wurde nachdrücklich dazu bewegt, an einem eigenen Betriebssystem arbeiten zu müssen. Der Grund hierfür ist, dass das chinesische Unternehmen die Geschäftsbeziehungen zu Google aussetzen musste, nachdem das Unternehmen im Jahr 2019 auf eine schwarze Liste für den Handel mit den USA gesetzt wurde. Google verweigert Huawei seitdem den Zugang zu geläufigen Google Apps und zum Google Play Store.
Harmony OS
Huawei setzte nach dem Embargo der US-Regierung zunächst auf das quelloffene Android ohne Google Dienste. Jedoch führte der Bann auch dazu, dass Huawei nun verstärkt auf die Entwicklung seines eigenen Betriebssystems „Harmony OS“ setzt. Dieses soll in einem Ökosystem aufgehen, mit dem Ziel, eine vergleichbare geräteübergreifende Integration der Dienste zu bieten, wie es bei Apple der Fall ist.
Auch wenn Huawei behauptet, dass Harmony OS ein eigenständiges Betriebssystem wird, so ist die nahe Verwandtschaft zu Android nicht zu verleugnen. Bis Dato ist es letztlich auch nur ein Fork, der eigentlich zu den Android-Derivaten zu zählen ist. Da Huawei aber dieses Derivat aus anderen Antrieben heraus entwickelt und Milliarden an Investitionen dahinter stehen, erhält es hier seine eigene Kategorie (Die Verstoßenden).
Aufgrund der finanziellen Möglichkeiten des Unternehmens sowie des chinesischen Heimatmarktes, der ohnehin ohne Google-Dienste auskommt, ist Harmony OS das Projekt, das mittelfristig gesehen vermutlich das größte Potenzial haben dürfte, nachhaltig einen kleinen Marktanteil zu erlangen.
Linux auf dem Smartphone
Die Basis von Android ist der Linux Kernel. Da Android aber unter anderem nur einen kleinen Teil von GNU-Software-Umgebungen und Tools installiert hat und auch weitere konzeptionelle Unterschiede aufweist, wird die Frage, ob Android zu den Linux Distributionen zu zählen ist, kontrovers diskutiert.
Smartphone-Betriebssysteme, die auf einem puren Linux laufen, sind hingegen im Grunde ein Desktop-Betriebssystem, welches für kleine Displays und Touch-Gesten auf Arm-Prozessoren optimiert wurden. Alle Freiheiten, die mit einem Linux einhergehen, bleiben hier, bis auf etwaige Hardwarelimitierungen, erhalten.
Derzeit gibt es zwei Hardware-Projekte, die sich explizit nicht als Android-Smartphones verstehen.
Pinephone von Pine 64
Librem 5 von Purism
Es folgt eine Auswahl an Linux-Betriebssystemen, die für Mobile-Devices optimiert werden und derzeit aktiv weiterentwickelt werden:
Ubuntu Touch: Basierend auf Ubuntu
PureOS: Basierend auf PureOS
postmarket OS: Basierend auf Alpine Linux
Mobian: Basierend auf Debian
Manjaro ARM: Basierend auf Manjaro Linux
Sailfish OS: Basierend auf Fedora
Linux Betriebssysteme auf Smartphones sind noch längst nicht ausgereift, geschweige denn alltagstauglich. Oftmals funktionieren grundlegende Funktionen nicht, da die Integration in die Hardware eine große Herausforderung darstellt und die meisten Entwickler sich in ihrer Freizeit mit den Betriebssystemen beschäftigen. Ein großes Unternehmen, dass die Entwicklung mit Nachdruck voranbringen könnte, ist derzeit jedenfalls auch nicht in Sicht.
Fazit
Wer auf eine massentaugliche Alternative zu iOS oder Google Android in naher Zukunft hofft, dürfte vermutlich enttäuscht werden. Die Markteintrittsbarrieren sind aufgrund der zwei dominanten App Stores einfach zu hoch. Ja, es gibt Alternativen. Die Nutzer dieser müssen aber bis dato mit Abstrichen bei der Usability und dem Funktionsumfang leben.
Je mehr, insbesondere staatliche Institutionen sowie Behörden, aber auch Banken und private Dienstleistungsunternehmen, Applikationen exklusiv für die zwei duopolistischen Betriebssysteme verbreiten, desto gefestigter werden die Marktanteile.
Ein Teufelskreis.
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Pyngu Digital