Neue Technologien können uns das Leben erleichtern und bieten eine Reihe an Vorteilen. Jedoch können diese auch gegen einzelne Personen oder auch größere Personenkreise ausgenutzt werden. Hier wird oftmals auf die Situation in einigen Regionen in Fernost hingewiesen. Insbesondere in China versucht die Regierung einen technischen Apparat zu etablieren, um eine größtmögliche Kontrolle über die eigene Bevölkerung zu erhalten. Dies dient zum einen Regierungskritiker kleinzuhalten und zum anderen das Volk regelrecht zu erziehen.
Social-Scoring – Das Next-Level-Bonussystem
Das Ziel des chinesischen Social-Credit-Systems ist es, eine ganzheitliche Bewertung der Vertrauenswürdigkeit von Personen oder Unternehmen vorzunehmen. Es ist eine Erweiterung bestehender sozialer Rankings und Bewertungen, die in China Tradition haben und bei der Bevölkerung generell beliebt zu sein scheinen.
Die Folgen eines schlechten Social-Scorings können für die Bürger schwerwiegende Folgen haben. Es kann sich auf etwaige Reisevorhaben, die Beschäftigung, den Zugang zu Finanzmitteln und die Fähigkeit, Verträge abzuschließen auswirken. Auf der anderen Seite kommt ein positiver Bonitätsscore mit einer Reihe an Vorteilen einher. Dies gilt sowohl finanziell als auch, was den gesellschaftlichen Status angeht.
Auf lange Sicht wird sich das System auch auf ausländische Unternehmen Auswirkungen haben, wenn diese Geschäfte in oder mit China tätigen wollen.
Ausländische Unternehmen, die ihre Präsenz in China festigen oder ausbauen wollen, sollten sich somit mit der Thematik befassen und wenn nötig, die aus ihrer Sicht richtigen Schlüsse ziehen. Dies gilt sowohl für den potenziellen individuellen Score der Kunden als auch für einen zukünftigen Unternehmens-Social-Credit-Score.
Die All-in-One-App WeChat beeinflusst in China bereits die Gesellschaft. Die App des chinesischen Technologieunternehmens Tencent könnte für ein vollumfängliches Social-Scoring-Netz in der Zukunft eine zentrale Rolle spielen.
Chinas MY2022-App für die Teilnehmer der Olympischen Winterspiele 2022 als Einblick auf die mögliche Funktionsweise von zukünftigen Social-Scoring-Apps
Die sogenannte MY2022-App war die offizielle App für die Olympischen Spiele 2022 in Peking und eine App, die jeder, der daran teilnehmen wollte, herunterladen, installieren und pflegen musste.
Das Citizen Lab der Universität Toronto fand im Code der App eine Liste mit zensierten Schlüsselwörtern sowie eine Möglichkeit, jemanden zu melden, der über den Messaging-Dienst politisch umstrittene Inhalte verschickt. Die MY2022-App enthielt eine Textdatei mit einer Liste von 2.442 Schlüsselwörtern unter dem Namen „illegalwords.txt“. Die Liste enthielt Inhalte, die sich auf Pornografie, Schimpfwörter und abwertende Ausdrücke bezogen. Ein großer Teil der Liste bestand jedoch aus politisch sensiblen Verweisen oder Themen. Dem Bericht des Citizen Lab zufolge ist unklar, ob die Schlüsselwortliste aus einem anderen Grund aufgenommen wurde als dem, dass chinesische Apps ohnehin in der Regel eine Zensurliste enthalten.
Dies war auch einer der Gründe, warum mehrere Länder ihre Athleten angewiesen hatten, „Wegwerf-Smartphones“ zu nutzen. Das Niederländische Olympische Komitee ging sogar so weit, dass es Smartphones an seine Athleten verteilte, mit der Aufforderung, diese nach der Rückkehr zu vernichten. Andere Nationen zogen nach.
Basis User Interface der MY2022-App
via Citizen Lab
It should be assumed that every text, email, online visit, and application access can be monitored or compromised
Alle Olympia-Teilnehmer mussten täglich ihre Gesundheits- und andere persönliche Daten erfassen. Dies geschah über das Health Monitoring System (HMS) über die App. Im offiziellen „Playbook“ für die Athleten wurde das Prozedere wie folgt beschrieben:
Tägliche Angaben zum Gesundheitszustand
Füllen Sie täglich Ihre Gesundheitsdaten aus, einschließlich Körpertemperatur, andere Symptome und alle Medikamente oder sonstigen medizinischen Aufzeichnungen sowie die epidemiologische Anamnese ab 14 Tage vor Ihrer Reise nach China.
Dies rechtfertigte die chinesische Regierung mit ihrer Zero-Covid-Strategie.
Schon allein für die Einreise in das Land wurden zwei QR-Codes benötigt
QR-Codes als Identifikation sind sicherlich eine bequeme Sache, doch wenn Berechtigungen jederzeit entzogen oder manipuliert werden können, kann man sich vorstellen, wie sehr man potenzieller Willkür und Schikane in so einem System ausgesetzt sein kann.
Connecting the dots
Die App, die bei der Einführung eines konsequenten Social-Credit-Systems eingeführt werden wird, ist letztlich verpflichtend für jeden, der am öffentlichen Leben teilnehmen will. Die Machtsituation der Regierung gegenüber ihrer Bürger steigt hierdurch ins Unermessliche.
Die MY2022-App erfüllte bereits vieles, das eine Social-Scoring-App vermutlich übernehmen wird und zeigte somit der Weltöffentlichkeit, wohin die Reise in China gehen könnte:
- QR-Codes für die Erteilung und den Entzug von Berechtigungen
- Personenbezogene Daten (auch besonderer Kategorien) müssen vollständig und stets aktualisiert sein
- Der digitale Yuan kann (und wird irgendwann höchstwahrscheinlich verbindlich) als Zahlungsmittel eingesetzt werden
- Die App überwacht das Online-Verhalten auf den Smartphones
Eine echte Social-Scoring-App wäre in Echtzeit in der Lage, einzelne oder ganze Bevölkerungsgruppen aus verschiedenen Bereichen auszuschließen. Das Scoring führt außerdem dazu, dass die Bürger nach den hiesigen Vorgaben zu leben haben. Jede Abnormität wird zugleich bestraft. Alkohol = Minuspunkte; Ampelüberquerung bei Rot = Minuspunkte; die falschen Bekanntschaften = Minuspunkte… die Liste kann endlos fortgesetzt werden.
Ein Aufenthalt ist nur via QR-Code möglich
Wenn die Menschen dann irgendwann den Tag über nur noch damit beschäftigt sind, Dinge „abzuarbeiten“, um ihren Score zu erhöhen, kann wirklich von einem Hamsterrad gesprochen werden.
Fazit
Ein QR-Code, der darüber entscheidet, was Menschen machen und wo sie sich aufhalten dürfen, ist für die Freiheitsrechte eine regelrechte Katastrophe. Unter dem Deckmantel der Pandemie haben verschiedene Länder mit Möglichkeiten experimentiert, ihre Bevölkerung zu überwachen und zu regulieren. Wenn sich die Menschen daran gewöhnen, Bedingungen zu erfüllen, um ihre vermeintliche Freiheit und Mobilität ausleben zu können, könnte das der Anfang vom Ende unserer selbstbestimmten Leben sein.
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Pyngu Digital